Der Hoka One One Clifton 2 – brandneuer maximaler Dämpfungsschuh im Test


Da man ja bekanntlich nie genug Schuhe haben kann, und vor allem nie genug abgefahrene, bunte und leicht wahnsinnig aussehende Laufschuhe, war die Freude groß, als ich das Hoka-Paket öffnete.

Radioaktiv. 🙂

Hoka Clifton 2

Der erste Eindruck also schon mal positiv. Farbe passt!

Dann der Blick auf die Schnürsenkel: Ok, kein Schnellschnür-System. Da hab ich jetzt nicht wirklich was gegen. Die Schnürsenkel fühlen sich stabil und nicht zu glatt an. Check!

Das Gewicht? Für so viel Schuh extrem leicht. Um die 200 g beim Damenmodell.

Als ich den Schuh in die Hand nehme, um ihn genauer zu betrachten, überrascht es mich, wie weich die Sohle ist.

Ich meine, nicht so flexibel wie ein Fahrradreifen oder der herkömmliche Laufschuh, sondern wibbly-wobbly-weich. Sie lässt sich ohne Probleme mit leichtem Druck verformen.

Weiche Sohlen

Und das trifft auch auf den größten Teil der Außensohle zu. Lediglich die orangenen Partien sind aus härterem Material gefertigt.
Sohle

Da die Sohle wie bei allen mir bekannten Hokas völlig flach ist, bedeutet das, dass das wibbly-wobbly-weiche Sohlenmaterial nicht nur Dämpfung sondern auch Lauffläche ist. Spannend. Wie wird sich das in der Praxis anfühlen?

Bevor ich so einen Schuh testlaufe, lese ich immer die Herstellerbeschreibung. Schließlich finde ich, dass so ein Test ja auch durchaus dazu da ist, um zu überprüfen, ob sich das, was da im Katalog steht, auch bestätigt. Kataloge sind schließlich geduldig.

Was soll der Schuh also können? Ich zitiere:

Der Top-Seller von HOKA ONE ONE. Das Erfolgsmodell des innovativen Laufschuh-Herstellers ist ein absolutes Leichtgewicht mit nur 235 g in Herrengröße US 9 bzw. 195 g in Damengröße US 7. Der hervorragend gedämpfte Neutralschuh CLIFTON 2 mit seinem früh ansetzenden Meta-Rocker und nur 5 mm Sprengung ermöglicht eine geschmeidige und kraftsparende Laufbewegung. Mit seiner SpeedFrame Schaftkonstruktion und der Oversize Mittelsohlenkonstruktion kombiniert er ein perfektes Verhältnis von Gewicht und Dämpfung. Für ein geschmeidiges, leichtes Laufgefühl auf Asphalt ist der CLIFTON 2 für Neutralläufer genau richtig. Die Marathon-Bestzeit mit dem CLIFTON 2 liegt unter 2:17 Stunden.
Empf. VK-Preis: 130 Euro

Klären wir erst mal die Fachbegriffe.

Meta-Rocker heißt vereinfacht: gebogene Sohle, die das Abrollen und den Abdruck über den Vorfuß erleichtern soll.

Seitenansicht

Die gebogene Sohlenform lässt sich in der Seitenansicht gut sehen. Die Sprengung (Höhenunterschied von Ferse zu Fußballen) kann ich nicht nachmessen, also verlasse ich mich da mal auf die Herstellerangaben.

Was der SpeedFrame genau ist, lässt sich nicht herauskriegen, soll aber für optimalen Halt sorgen. Klingt gut.

Oversize: klar. Dicker als dick.

Das mit der Marathon-Bestzeit muss leider jemand anders überprüfen, da ich dieses Tempo maximal 100 m aufrecht erhalten kann.

Neutralläufer – bin ich.

Dann nix wie rein in den Schuh!

Die Größe (1-1 1/2 Nummern über der normalen Konfektionsgröße) passt. Als ich die ersten Schritte gehe, denke ich: „Aua!“

„Aua?“ Das leichte dünne Obermaterial erweist sich als erstaunlich hart, und drückt beim Abrollen exakt auf das Großzehengelenk. Das ist suboptimal. Lieber also eine kurze Runde anvisieren und hoffen, dass es sich weichläuft.

Das tut es. Nach ein paar hundert Schritten ist das Drücken weg und kommt nicht wieder. Gut.

Die Sohle ist wirklich extrem weich. Und sie schluckt alles. Kleinere Unebenheiten, Steinchen, Felsbrocken, Schlaglöcher,  Erdspalten, plattentektonische Verschiebungen… nichts davon merkt man in diesem Schuh. Das kann man lieben, weil beim Laufen viel Ausgleichsarbeit erspart wird, und Kraftressourcen geschont werden, oder man kann es hassen, weil das Gefühl für den Untergrund völlig verloren geht. Es fühlt sich ein bisschen so an, als hätte man eine Wiese unter die Füße geschnallt.

Das kann auf einer langen Asphalt-Strecke durchaus angenehm sein. Kommt man jedoch auf weichen Boden, z.B. eine wirkliche Wiese, oder ein Stück weicheren Waldwegs, ist es … seltsam. Nun gut, niemand hat behauptet, dass dies ein Offroad-Schuh ist. Also bleiben wir beim Asphalt.

In der Ebene werden ich und der Schuh irgendwie nicht so recht warm miteinander. Ich vermisse das für mich Hoka-typische rollende Laufgefühl, das ich vom Stinson Trail oder vom Huaka kenne und schätze. Der „früh ansetzende Meta-Rocker“ scheint für mich als Mittelfußläufer nicht ganz optimal angesetzt zu sein. Ich laufe ein paar Meter bewusst über die Ferse. Hier wird die Abrollbewegung wirklich deutlich unterstützt. Auch die Tatsache, dass die verstärkte Außensohle an der Ferse und unter dem Vorfuß ansetzt, deutet darauf hin, dass es sich bei diesem Schuh eher um einen Schuh für Fersenläufer oder Vorfußläufer handelt. Das bestätigt sich auch am Berg.

Bergauf heißt: verstärkte Landung und Abdruck auf dem Vorfuß = gutes Gefühl.

Bergab bringe ich insgesamt mehr „umpf“ auf den Schuh, und auch das scheint ihm zu gefallen. Hier spielt die dicke Dämpfung wirklich ihre Stärken voll aus.

Auch in der Ebene versuche ich mich an ein paar Zwischensprints mit bewusst aktivem Kniehub. Je mehr Druck aufgebaut wird, desto direkter und angenehmer läuft sich der Schuh. Lockeres Traben hingegen bleibt irgendwie wibbly-wobbly, und ein Teil der Kraft wird von der Dämpfung geschluckt.

Da Hokas ja aus der Ultralauf-Szene kommen, müssen die Schuhe natürlich mit auf einen Longrun. Den plane ich jedoch so, dass jederzeit ein Wechsel möglich ist, weil ein langer Lauf in relativ unbekannten Schuhen ein riskantes Unternehmen ist.

Nach 12 km wechsle ich tatsächlich auf einen anderen Schuh der Kategorie „neutraler Dämpfungsschuh“, und habe das Gefühl, plötzlich Hufeisen zu tragen. Der direkte Kontrast ist echt krass. Im Vergleich zum Clifton 2 scheint da überhaupt keine Dämpfung mehr zu sein.

Ich könnte mir vorstellen, dass schwere Läufer mit Gelenkproblemen den Clifton 2 durchaus schätzen könnten.

Allerdings sehe ich den Schuh absolut nicht als anfängertauglich. Denn seine Stärke ist zugleich seine Schwäche: Er macht wirklich alles mit. Die weiche Sohle schluckt einen miesen, sitzenden Laufstil, der voll auf die Gelenke geht, klaglos. Knickt man stark nach innen, gibt sie nach, knickt man stark nach außen, ebenso. Haut man voll mit der Ferse auf den Boden, fühlt es sich immer noch weich an. Während der Huaka einen aktiven aufrechten Laufstil unterstützt und geradezu fordert, muss ich im Clifton 2 sehr konzentriert laufen, um nicht irgendwo reinzuhängen.

Ok, nicht jeder Schuh ist für jeden Läufer, und das ist auch gut so. Wäre ja sonst langweilig.

Was mich jedoch mit einem großen Fragezeichen zurücklässt, ist die Frage nach der Haltbarkeit. Denn wenn die Sohle nach 25 km Laufleistung schon so aussieht…

Verschleiß1 Verschleiß2

…frage ich mich, wie sie nach ein paar hundert Kilometern aussehen soll. Und 500 – 800 km sollte ein Schuh in der Preisliga schon mitmachen. Vor allem das obere Bild zeigt starken Abrieb im Bereich des großen Zehs. Ich verstehe nicht, weshalb gerade dort an festerem Außensohlenmaterial gespart wurde, denn das ist nun mal einer der Haupt-Abdruckspunkte.

Ich habe die Schuhe ca. 70% auf Asphalt und die restlichen 30% auf normalen Feld- und Waldwegen gelaufen. Es ging nicht über Geröll, Schotter oder Glasscherben. Die unten sichtbaren Verformungen an der Sohle sind auch nach einem Tag Ruhe, den man Laufschuhen ja ohnehin gönnen sollte, nicht nennenswert zurückgegangen.

Meine übrigen Schuhe zeigen übrigens keinen übermäßigen Abrieb am großen Zeh und am Innenrand. Es kann also nicht an meinem per se katastrophalen Laufstil liegen.

Fazit:

  • leichter Schuh mit maximaler Dämpfung
  • sehr weiche Sohle „entkoppelt“ vom Untergrund
  • eher für Fersen- und Vorfußläufer geeignet
  • kein Anfängerschuh
  • geeignet für Läufe auch im Ultra-Bereich
  • braucht eine gewisse Kraftübertragung auf den Boden, um sich gut anzufühlen, daher eher für schwerere Läufer oder einen sehr aktiven Laufstil mit starkem Abdruck empfehlenswert
  • Stärke: Bergauf- und Bergab-Läufe, daher für einen Straßen-Berglauf durchaus in Erwägung zu ziehen.
  • größte Schwäche: Haltbarkeit des Sohlenmaterials fragwürdig

Vielen Dank an Hoka One One, dass ich diesen Schuh zum Testen zur Verfügung gestellt bekommen habe!

Ich habe keine weitere Vergütung für diesen Beitrag erhalten. 

11 Kommentare zu “Der Hoka One One Clifton 2 – brandneuer maximaler Dämpfungsschuh im Test

  1. Liebe Christiane,

    vielen Dank für den sehr aussagekräftigen Test. Bin ja selbst kein Freund von der Dämpfung und auch die Sprengung von 5 mm wäre mir zu viel, aber irgendwie muss ja eine gewisse „Stabilität“ erreicht werden und deshalb wahrscheinlich das weiche Sohlenmaterial. Bin gespannt, wie lange er hält oder ob er bei Dir im Schuhregal vor sich hin dämmert… 😉

    Salut

    • Gern geschehen! 🙂
      Auf die Haltbarkeit bin ich auch sehr gespannt. Ich werde ihn sicher noch auf kürzeren Strecken mit höherem Tempo laufen, wenn ich auf den Silvesterlauf trainiere. Vor sich hin dämmern wäre schade drum. Nur für die langen Kanten, für die ich Hokas eigentlich schätze, ist er mir nicht geeignet.

  2. Hi Christiane, ich laufe den Schuh auch gerade und bin von ihm bisher genau so begeistert, wie von seinem Vorgänger. Mir macht er einfach Spass. 🙂

    Auf die Haltbarkeit der Sohle bin ich auch gespannt. Aber wenn man sich in der amerikanischen Blogosphäre umsieht, bin ich ganz zuversichtlich.

    Ich würde den Schuh auch keinem Anfänger als „ersten Schuh“ empfehlen – jedenfalls nicht pauschal. Er kann aber sicher eine gute Ergänzung sein, wenn man etwas Erfahrung gesammelt hat.

    Herzliche Grüße

    Thomas

    • Hi!
      Willkommen auf meinem Blog!
      Ich habe Deinen Beitrag zum Huaka gelesen, der Dich ja offensichtlich nicht ganz so überzeugt hat, während ich ihn klasse finde. Mir geht’s ja ähnlich mit dem Clifton wie Dir mit dem Huaka. Vielleicht teilt sich ja die Welt in Clifton- und Huaka-Läufer. 😉
      Bin auf Deinen Testbericht gespannt. 🙂

  3. Ich bin auch gerade dabei, meinen Testbericht zu dem Clifton zu schreiben. In sehr vielen Stellen decken sich meine Erfahrungen mit deinen. Das beruhigt mich dann doch irgendwie – vor allem die Mittelfuß-Geschichte, wobei ich auch beim Vorfußlauf Probleme hatte. Dazu aber mehr in meinem Bericht, der in den nächsten Tagen folgt.

    • Dann bin ich gespannt auf deinen Bericht!
      Hatte den Schuh heute für Intervalle an. Eindruck bestätigt: Je schneller, desto besser. Aber die Sohle war danach wieder komisch verformt…

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